Seit 2 Jahren ist das neue Restrukturierungsrecht in Kraft. Wie ist die Wirkung des neuen Rechts einzuschätzen?
Restrukturierungsrecht-Evaluation
Seit einigen Monaten läuft in Deutschland die Evaluation des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG). Das ESUG hat genau vor fünf Jahren weitreichende Änderungen im deutschen Insolvenzrecht, insbesondere im Bereich des Insolvenzplanverfahrens und des Verfahrens in Eigenverwaltung gebracht. Ähnlich weitgehende Reform des polnischen Sanierungsrecht feierte am 1. Januar 2018 ihren zweiten Geburtstag. Das Gesetz hat die gerichtliche Sanierung in Polen neu gestaltet, insbesondere durch die Einführung von vier neuen Restrukturierungsarten. Mehr dazu finden Sie hier. Nach zwei Jahren kann ein erster Evaluierungsauftrag formuliert werden: wie soll die Wirkung des neuen Rechts eingeschätzt werden?
Was war das Ziel des Gesetzes?
Der Gesetzgeber hat das Ziel des Restrukturierungsrechts ausdrücklich als die Vermeidung der Insolvenz des Schuldners formuliert. Dies soll im Wege des Abschlusses eines Vergleiches mit den Gläubigern bei gleichzeitiger Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für Gläubigerrechte erfolgen. Im Falle des Sanierungsverfahrens ist auch die Durchführung von weitgehenden Sanierungsmaßnahmen möglich. Somit soll das neue Gesetz der Umsetzung der „Politik der zweiten Chance“ dienen und den Unternehmen, die aufgrund der nachteiligen Veränderungen der Marktverhältnisse in Not geraten sind, Bedingungen für einen neuen Start schaffen. Dieses Ziel spiegelt sich im ganzen Gesetz wider. Es gilt bspw., dass wenn sowohl ein Konkurs- als auch Restrukturierungsantrag gestellt worden ist, so beschließt das Gericht zuerst über die Eröffnung des Restrukturierungsverfahrens.
Was hat sich geändert?
Nach zwei Jahren gilt das neue Gesetz als mäßiger Erfolg. Besonders geliebt ist das beschleunigte Vergleichsverfahren (przyspieszone postępowanie układowe), das sich durch Schnelligkeit und Einfachheit auszeichnet und insbesondere auf die Schuldner zielt, die wenig strittige Forderungen haben und imstande sind, mit ihren Gläubigern ziemlich schnell zu einem Konsens zu kommen. Das Sanierungsverfahren hat sich dagegen als eine Alternative des Insolvenzverfahrens für solche Schuldner etabliert, dessen Sanierung nicht nur finanzwirtschaftlichen Maßnahmen bedarf, aber auch weitgehenden Sanierungsmaßnahmen, wie etwa der Möglichkeit von den „toxischen“ Verträgen zurückzutreten.
Insgesamt wurden fast 600 Restrukturierungsverfahren eröffnet. Vor dem Inkrafttreten des Gesetzes war die Zahl der Insolvenzplanverfahren, das als Vorgänger der Restrukturierung zu betrachten ist, viel niedriger. Die Zahl der Restrukturierungsverfahren entspricht aber immer noch der tatsächlichen Bedürfnisse der polnischen Wirtschaft nicht. Trotz des Bestrebens des Gesetzgebers ist das „Stigma der Insolvenz“ oft auch mit dem Restrukturierungsverfahren assoziiert. Viele Unternehmen entscheiden sich daher eher für eine faktische Liquidation des Unternehmens und nicht für eine gerichtliche (=öffentliche) Sanierung bzw. Insolvenz. Solche Mentalität kann, leider, innerhalb von zwei Jahren nicht geändert werden. In die Zukunft kann man jedoch zuversichtlich sehen.