Die Europäische Kommission hat den Entwurf einer Richtlinie zur Stärkung des Schutzes von Whistleblowern vorgestellt. Ihr Ziel ist es, die Schutzstandards in allen EU-Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen.
Hintergrund
Der Schutz von Whistleblowern ist in der Europäischen Union uneinheitlich geregelt. Derzeit gewähren EU-Mitgliedstaaten entweder nur teilweisen Schutz in bestimmten Wirtschaftszweigen oder für gewisse Kategorien von Arbeitnehmern. Polnische Regelungen hinsichtlich der Whistleblowing-Systeme, sowohl in den bereits geltenden als auch den angekündigten Rechtsakten, sind miteinander nicht vereinbar und dementsprechend für die Erreichung der EU-weit gesetzten Ziele untauglich. Infolge der Umsetzung von europäischen Richtlinien[1] sowie der Initiative des polnischen Gesetzgebers bezüglich des Gesetzes über die Transparenz des öffentlichen Lebens werden drei verschiedene Regime für den Whistleblower-Schutz geschaffen. An den vorgenannten Regelungen wird gesondert gearbeitet, denn sie betreffen verschiedene Rechtsbereiche. Die Anpassung der Unternehmensorganisation an die zahlreichen Vorschriften ist deshalb in der Praxis erschwert, was sich negativ auf die Effektivität der eingeführten Lösungen auswirken kann. Deswegen ist ein ganzheitlicher Ansatz auf europäischer Ebene positiv zu beurteilen.
Wer muss in Zukunft interne Meldeverfahren für Verstöße einrichten?
Die Regelungen des Entwurfs (im Weiteren: „Richtlinienentwurf“)[2] im Sinne der Pflicht zur Einführung der Whistleblower-Systeme beziehen sich auf alle Unternehmer, die mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigen oder einen Jahresumsatz von mindestens 10 Mio. Euro erzielen sowie sonstige juristische Personen, die im Finanzdienstleistungsbereich tätig oder nach den einschlägigen Unionsvorschriften für Geldwäsche- oder Terrorismusfinanzierungstätigkeiten anfällig sind (privater Sektor). Unter die Pflicht zur Einführung interner Meldeverfahren für Whistleblower fallen darüber hinaus u.a. auch Regionalverwaltungen und Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern (öffentlicher Sektor).
Wer gilt als Whistleblower?
Der Richtlinienentwurf definiert Whistleblower als Personen, die im privaten oder im öffentlichen Sektor tätig sind und im beruflichen Kontext Informationen über Verstöße erlangt haben. Dies gilt sowohl für Arbeitnehmer als auch Selbstständige, Auftragnehmer, Vertragspartner, Lieferer, Freiwillige, Praktikanten, Bewerber usw.
Der Entwurf sieht vor, dass Whistleblower hinreichenden Grund zu der Annahme haben müssen, dass die von ihnen gemeldeten Informationen zum Zeitpunkt der Meldung der Wahrheit entsprechen. Dann haben sie Anspruch auf Schutz im Sinne der Richtlinie. Dadurch sollen Meldungen in böswilliger oder missbräuchlicher Absicht verhindert werden, sodass diejenigen, die wissentlich falsche oder irreführende Informationen melden, keinen Schutz genießen. Gleichzeitig wird gewährleistet, dass der Schutz zur Anwendung kommt, wenn der Whistleblower in gutem Glauben unrichtige Informationen meldet.
Welche Verstöße können gemeldet werden?
Den Schutz genießen Whistleblower bei Meldungen betreffend rechtswidrige Handlungen oder Fälle von Rechtsmissbrauch in folgenden Bereichen des EU-Rechts:
- öffentliches Auftragswesen,
- Finanzdienstleistungen sowie Verhütung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung,
- Produktsicherheit,
- Verkehrssicherheit,
- Umweltschutz,
- kerntechnische Sicherheit,
- Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, Tiergesundheit und Tierschutz,
- öffentliche Gesundheit,
- Verbraucherschutz,
- Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten sowie Sicherheit von Netz- und Informationssystemen.
Hinweisgebersysteme und Hinweisgeberschutz
Laut dem Richtlinienentwurf besteht für EU-Mitgliedstaaten die Pflicht, sicherzustellen, dass juristische Personen des privaten und des öffentlichen Sektors interne Kanäle und Verfahren für die Übermittlung und Weiterverfolgung von Meldungen einrichten.
Der Richtlinienentwurf setzt voraus, dass Whistleblower zunächst eine Unregelmäßigkeit intern (d.h. im Rahmen eines Verfahrens innerhalb der Organisation) melden sollen. Die interne Meldung kann u.a. in folgenden Fällen entfallen und extern z.B. an Behörden, Medien etc. erfolgen:
- es stehen keine internen Meldekanäle zur Verfügung;
- der Hinweisgeber ist nicht verpflichtet, auf interne Meldekanäle zurückzugreifen (z.B. wenn kein Arbeitsverhältnis besteht);
- der bestehende interne Meldekanal funktioniert nicht ordnungsgemäß;
- es gibt einen hinreichenden Grund zur Annahme, dass im Falle eines Rückgriffs auf interne Meldekanäle die Wirksamkeit etwaiger Ermittlungen der Behörden beeinträchtigt werden könnte.
Jegliche Vergeltungsmaßnahmen gegenüber Hinweisgebern sind untersagt und sollen geahndet werden. Falls ein Whistleblower in Folge seiner Meldungen Vergeltungsmaßnahmen erleidet, soll er kostenlosen Zugang zur Beratung und zu angemessenen Abhilfemaßnahmen erhalten. Zum verbesserten Schutz des Whistleblowers vor Vergeltungsmaßnahmen sieht der Richtlinienentwurf des Weiteren eine Beweislastumkehr vor. Der betroffene Unternehmer muss nachweisen, dass innerhalb der Organisationen keine Vergeltungsmaßnahmen gegen den Whistleblower ergriffen wurden.
Was bedeutet das in der Praxis?
Die EU-Kommission schlägt vor, dass die Mitgliedstaaten entsprechende Rechtsvorschriften zwecks Umsetzung der Richtlinie spätestens am 15. Mai 2021 in Kraft setzen. Es bedarf zwar noch der Zustimmung der Staats- und Regierungschefs, dennoch ist bereits jetzt absehbar, dass sich die Mitgliedstaaten und Unternehmer mit umfassenden nationalen Programmen bezüglich der Whistleblowing-Systeme sowie der Schutzmechanismen für Whistleblower zeitnah auseinandersetzen werden müssen. Dies stellt für den polnischen Gesetzgeber eine wesentliche Herausforderung dar, denn die bereits erlassenen und angekündigten Gesetze müssten (ggf. im Nachhinein) geändert werden, damit die Übereinstimmung nationaler Vorschriften mit dem EU-Recht gewährleistet wird.
[1] Die Richtlinie 2016/943 über den Schutz von Geschäftsgeheimnissen und die Richtlinie 2015/849 zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung.
[2] Der Richtlinienentwurf ist unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX%3A52018PC0218 abrufbar, letzter Stand: 6.06.2018.