Aufgrund eines erheblichen Anstiegs der Preise für Baumaterialien lasst sich neuerdings beobachten, dass Auftraggeber Ausschreibungen aufheben, wenn das wirtschaftlich günstigste Angebot die ihm für die Auftragsausführung zur Verfügung stehenden Mittel übersteigt.

Preiserhöhung in der Bauindustrie

Seit Beginn des Jahres 2018 wird ein signifikanter und systematischer Anstieg der Baustoffpreise im Vergleich zu den Vorjahren beobachtet. Dieses Phänomen führt dazu, dass die Preise in Bieterangeboten, die im Rahmen öffentlicher Ausschreibungsverfahren – vor allem in der Bauindustrie – abgegeben werden, höher sind als das vom Auftraggeber vorgesehene Budget.

Budgetaktualisierung

Als Einheiten des öffentlichen Finanzsektors sind öffentliche Auftraggeber verpflichtet, jährlich den Haushaltsplan für das Folgejahr zu verabschieden sowie das Budget für öffentliche Aufträge für das jeweilige Haushaltsjahr zu erstellen und zu aktualisieren. Häufig aktualisieren sie das Budget jedoch nur unter Verwendung kaum zuverlässiger Prognosen und Indikatoren, was dazu führt, dass es dem tatsächlichen Preisniveau auf dem Markt nicht Rechnung trägt. Somit übersteigen die von den Bietern abgegebenen Angebote die Beträge, die öffentliche Auftraggeber nach dem angenommenen Budget für die Finanzierung der Aufträge bereitstellen können.

Polnische Vorschriften und Entscheidungspraxis der Vergabekammer

Laut dem Vergabegesetz ist der Auftraggeber verpflichtet, die Ausschreibung aufzuheben, wenn der Preis des günstigsten Angebots den Betrag übersteigt, der dem Auftraggeber für die Finanzierung des Auftrags zur Verfügung steht, es sei denn, der Auftraggeber kann die Haushaltsmittel dafür erhöhen. Nach umfangreicher Rechtsprechung der Nationalen Berufungskammer zu diesem Thema ist eventuelle Anpassung (i.S. einer Erhöhung) des Budgets an den günstigsten Angebotspreis ein Recht aber keine Pflicht des Auftraggebers. Der Auftraggeber hat als Organisator des Vergabeverfahrens das Recht, zu entscheiden, ob die Erhöhung von Mitteln für die Vergabe des Auftrags wirtschaftlich und zweckmäßig ist. Diese Entscheidung wird unter bestimmten spezifischen Marktbedingungen und im Rahmen der von ihm festgelegten finanziellen Möglichkeiten getroffen, bei denen die Ausführung eines bestimmten öffentlichen Auftrags rentabel ist (Urteil vom 9. Juli 2017, KIO 1273/17).

Möglichkeiten für Bieter

Der Auftraggeber hat keinen Grund, das Verfahren aufzuheben, wenn alle Angebote unterhalb des von ihm festgelegten Budgets liegen. Der Aufhebungsgrund könnte erst dann vorliegen, wenn der Auftraggeber die Angebote geprüft und bewertet hat und die mangelhaften Angebote abgelehnt oder die Bieter vom Verfahren ausgeschlossen hat. Sollte sich infolge dieser Maßnahmen herausstellen, dass das vom Auftraggeber auszuwählende Angebot den Betrag überschreitet, den er zur Auftragsfinanzierung auszugeben beabsichtigt, so kann er gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 des Vergabegesetzes die Ausschreibung aufheben.
Überschreiten die Angebote die Planzahlen des Auftraggebers, so kann es für Bieter schwierig sein, die Aufhebung des Verfahrens wirksam zu beanstanden. Der Artikel 93 Abs. 1 Nr. 4 des Vergabegesetzes stellt keinen Grund dar, Ansprüche gegen die Auftraggeber auf Erhöhung des Betrags zu erheben, der unmittelbar vor der Öffnung der Angebote angegeben wurde und für die Auftragsausführung vorgesehen ist.
Auch die Tatsache, dass der Auftraggeber in anderen Verfahren den Betrag für die Auftragsausführung erhöhte, bedeutet nicht automatisch, dass er verpflichtet ist, diesen Betrag auch in diesem Verfahren zu erhöhen. Es ist immer die Entscheidung des Auftraggebers, die individuell für jedes Verfahren zu treffen ist. (Urteil der VK vom 9. Oktober 2017, KIO 2032/17).
Wie jedoch die Kammer in ihrem Urteil vom 2. März 2018 (KIO 275/2018) ausführt, muss der Auftraggeber bei der Auswahl des günstigsten Angebots, dessen Preis den vor der Angebotseröffnung angegebenen Betrag übersteigt, zunächst versuchen, zusätzliche Mittel zur Auftragsausführung zu besorgen. Erst wenn der Versuch oder die Versuche insoweit misslungen sind, kann der Auftraggeber das Verfahren gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 Vergabegesetzes aufheben. Es ist jedoch schwer vorstellbar, dass Bieter beanstanden werden, ob der Auftraggeber versucht hat, zusätzliche Mittel zu finden. Vor allem wäre dies schwierig zu beweisen. Ansonsten ist es schwierig, mit dem Auftraggeber zu streiten – der doch letztlich für die vernünftige Ausgabe öffentlicher Gelder verantwortlich ist – dass er ausreichende Mittel im Budget jedoch hat und sie für die Finanzierung dieses bestimmten Auftrags ausgeben kann.
Daher scheint die einzige Lösung in dieser Situation darin zu bestehen, dass der Bieter seine Zweifel hinsichtlich des Auftragswerts und der Vergütung in der Phase der Fragen zur Spezifikation der wesentlichen Vertragsbedingungen darlegt. Es wird dem Auftraggeber auch mehr Zeit geben, notwendige Mitteln zu finden.
Auch sollten Bieter nicht darauf verzichten, andere Entscheidungen des Auftraggebers im Verfahren anzufechten, auch wenn der Angebotspreis des Bieters höher ist als das vom Auftraggeber angenommene Budget. Der Bieter hat ein Rechtsschutzinteresse und kann durch die Verletzung des Vergabegesetzes Schaden erleiden, auch wenn die Berufungseinlegung die Nichtigkeit des Verfahrens zur Folge hätte. Es besteht danach immer die Möglichkeit, dass der öffentliche Auftraggeber die Ausschreibung erneut bekanntmacht und einen höheren Betrag für die Auftragsdurchführung bereitstellt.

Fazit

Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 Vergabegesetzes hebt der Auftraggeber ein Vergabeverfahren auf, wenn der Preis des günstigsten Angebots oder das Angebot mit dem niedrigsten Preis den Betrag übersteigt, den er für die Finanzierung des Auftrags auszugeben beabsichtigt. Eine solche Situation bedeutet jedoch nicht zwangsläufig das Ende eines bestimmten Vergabeverfahrens, wenn der öffentliche Auftraggeber sein Budget an das günstigste Angebot anpassen kann.
Wenn jedoch klar ist, dass der Auftraggeber keine zusätzlichen Mittel für die Ausführung dieses bestimmten Auftrags bereitstellen kann, sollte man nicht auf rechtliche Schutzmaßnahmen – insbesondere auf Einsprüche – verzichten. Dies gilt auch, wenn das Angebot das vom Auftraggeber festgelegte Budget überschreitet, und andere Angebote im Rahmen dieses Budgets liegen. Zwar können Bieter den öffentlichen Auftraggeber nicht dazu „zwingen“, zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen, aber sie können seine rechtswidrigen Handlungen und Unterlassungen beanstanden, selbst wenn dies die Verfahrensaufhebung nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 Vergabegesetzes zur Folge hat. Dann bleibt die Hoffnung auf eine „neue Öffnung“ und die Abgabe eines Angebots im nächsten Verfahren mit einem ähnlichen Auftragsgegenstand, bei dem der Auftraggeber einen angemessenen Betrag für die Auftragsausführung bereitstellt.

Anna Specht-Schampera

Izabella Sobieraj