In Polen wird derzeit am Entwurf des neuen Vergabegesetzes gearbeitet. Die Reform betrifft u.a. die Rechtsschutzmittel. Wir geben einen Überblick über die wichtigsten Änderungen, die sich daraus für Bieter ergeben.

Verbesserung des Nachprüfungsverfahrens

Nach dem neuen Vergabegesetz soll nun möglich sein, das Nachprüfungsverfahren auch bei Aufträgen unterhalb der EU-Schwellenwerte einzuleiten. Derzeit können bei solchen Vergabeverfahren nur einige Handlungen des Auftraggebers i.S. bestimmter Verfahrensfehler angefochten werden.

Großer Wert wird auf die Vereinheitlichung der Rechtsprechung der Nationalen Berufungskammer (poln. Krajowa Izba Odwoławcza), die für die Beilegung von Streitigkeiten im Bereich des öffentlichen Auftragswesens zuständig ist, gelegt. Immer noch gibt es Situationen, wenn die Kammer zwei gegensätzliche Auffassungen zu ein und demselben Sachverhalt vertritt. Ein Beispiel dafür ist die Frage der Einlegung einer Bietungsgarantie durch ein Konsortium. Nach einigen Entscheidungen der Nationalen Berufungskammer reicht es aus, wenn die Bietungsgarantie von einem der Konsortiumsmitglieder eingelegt wird. Es wird jedoch auch eine andere Ansicht vertreten, und zwar, dass alle Konsortiumsmitglieder im Text der Bietungsgarantie zu nennen sind.

Aus diesem Grund wird vorgeschlagen, dass die Generalversammlung der Nationalen Berufungskammer (poln. Zgromadzenie Ogólne Izby) verbindliche Beschlüsse fassen kann. Durch die Beschlüsse soll die ständige Rechtsprechung im Vergaberecht entwickelt werden. Um die Qualität der Rechtsprechung der Kammer zu verbessern und die Entscheidungen zu vereinheitlichen, sollen Nachprüfungsverfahren nun durch drei Mitglieder der Kammer entschieden werden. Derzeit werden die Angelegenheiten in den meisten Fällen durch ein Mitglied der Kammer behandelt. Nach den geplanten Vorschriften soll dies nun nur in Ausnahmefällen erfolgen – und zwei bei weniger komplexen Angelegenheiten.

In dem Entwurf des neuen Vergaberechts ist die Aufmerksamkeit der Verstärkung der Rolle eines Urteils der Berufungskammer geschenkt worden, was zu begrüßen ist. Derzeit fehlt es an Bestimmungen, wonach Bieter vom Auftraggeber verlangen können, dass die Anordnungen der Kammer innerhalb einer bestimmten Frist befolgt werden. Dies gilt beispielsweise für die durch die Kammer angeordnete Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses.

Nach den vorgeschlagenen Vorschriften werden die Parteien mit Hilfe von ePUAP (elektronische Plattform in Polen, die es ermöglicht, viele amtliche Angelegenheiten über das Internet zu erledigen) das Nachprüfungsverfahren beantragen können. Es wird jedoch nicht mehr erforderlich sein, die an den Kammerpräsidenten gerichteten Schriftsätze (z.B. Antrag auf Nachprüfung, Beitritt eines Bieters) mit der qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen. Die vorgeschlagenen Vorschriften folgen der Tendenzen, das öffentliche Auftragswesen zu elektronisieren und die Angelegenheiten, also auch Vergabeverfahren, online behandeln zu können.

Die Änderung, die aus Sicht des Bieters von geringerer Bedeutung erscheinen mag, ist die Einführung eines elektronischen Protokolls und der Video- und Tonaufnahme der mündlichen Verhandlungen (diese Lösungen werden bereits in polnischem Gerichtsverfahren erfolgreich verwendet). Dies ermöglicht, das Nachprüfungsverfahren nicht nur zu erleichtern und zu beschleunigen, sondern auch seine Transparenz sicherzustellen und die Qualität der erlassenen Entscheidungen zu verbessern.

Nur ein zentral zuständiges Beschwerdegericht

Eine der wichtigsten Systemänderungen besteht darin, dass nur ein einziges Gericht für die Prüfung der Urteile der Kammer ausschließlich zuständig sein wird. Derzeit ist die Beschwerde bei dem für den Sitz des Auftraggebers zuständigen Bezirksgericht einzureichen. Diese Lösung trägt nicht der Qualität und Einheitlichkeit der Rechtsprechung im Bereich des Vergaberechts bei. Vergaberechtliche Angelegenheiten stellen nur einen Bruchteil der bei den Bezirksgerichten anhängigen Verfahren dar. Es gibt in den Bezirksgerichten keine Abteilungen, die sich im Bereich des Vergaberechts spezialisieren. In Polen funktioniert nur ein Fachbezirksgericht (das Gericht für Wettbewerb und Verbraucherschutz in Warschau, das für die Kartellsachen und den Wettbewerb und Verbraucherschutz zuständig ist) und die Autoren des vorgeschlagenen Vergaberechts berufen sich darauf. Die Errichtung eines Fachgerichts für das Vergaberecht soll die Rechtsprechung weiter vereinheitlichen. Demzufolge wird es einfacher sein, die Chancen für die erfolgreiche Anfechtung eines Urteils der Berufungskammer einzuschätzen und möglicherweise auch die Prozesskosten zu sparen.

Geringere Gerichtsgebühren für Beschwerden

Ebenso sollen auch die Regeln und die Höhe der Gerichtsgebühren für Beschwerden gegen Urteile der Nationalen Berufungskammer reformiert werden.

Aus einer von dem Amt für öffentliche Aufträge aufgestellten Übersicht ergibt sich, das 2017 159 Beschwerden eingereicht wurden. Das macht nur 6% aller durch die Berufungskammer behandelten Berufungen aus. Eines der Hindernisse für die Einlegung von Beschwerden gegen Urteile der Nationalen Berufungskammer ist die Höhe der Gerichtsgebühr, die dabei zu entrichten ist.

Gebühren für die bei der Berufungskammer eingelegten Berufungen betragen 15.000 PLN bei Aufträgen über Lieferungen oder Dienstleistungen und 20.000 PLN bei Bauleistungen. Diese Beträge beziehen sich auf Verfahren oberhalb der EU-Schwellenwerte.

Die Gebühr für die Beschwerde beim Gericht beträgt hingegen aktuell das Fünffache der Berufungsgebühr. Bei einem Vergabeverfahren über Bauleistungen oberhalb der Schwellenwerte beträgt die Gebühr folglich 100.000 PLN (ca. 25.000 EUR). Dies ist zweifellos einer der Gründe dafür, warum die gerichtliche Kontrolle der Rechtsprechung der Berufungskammer illusorisch ist und warum sich dieser Umstand im Resultat auf die Qualität und die Einheitlichkeit der Rechtsprechung negativ auswirkt. Die geplante Reform sieht die Reduzierung dieser Gebühr auf das Dreifache der Berufungsgebühr vor.

Fazit

Die hier geschilderten Grundsätze der geplanten Reform des Vergaberechts sollen nach Auffassung der Autoren des Gesetzentwurfs die Chancen kleiner und mittlerer Unternehmen bei der Bewerbung um einen öffentlichen Auftrag erhöhen. Der Entwurf des neuen Vergabegesetzes befindet sich zur Zeit in der Konsultationsphase.

mec. Anna Specht-Schampera

Izabella Sobieraj